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22.2.19

DAS WESEN DER ALCHEMIE





Von Franz Hartmann

„Durch nichts bezeichnen die Menschen
mehr ihren Charakter, als durch das,
was sie lächerlich finden.“
(Goethe.)


Wer es wagt, mit ernsthafter Miene zu denjenigen Halbgebildeten, welche den grössten Teil der Repräsentanten der modernen Civilisation vorstellen, von Alchemie zu sprechen, der kann sich darauf gefasst machen, einem mitleidigen Lächeln zu begegnen, wenn nicht gar für einen Dummkopf oder für verrückt gehalten zu werden; nichtsdestoweniger ist es eine Thatsache, dass gerade diese Klasse von Leuten von Alchemie so gar nichts wissen, dass sie nicht einmal begreifen, was man unter dieser Bezeichnung versteht. Wenn man „Alchemie" für eine angebliche Wissenschaft hält, derzufolge man auf chemischem Wege aus Dingen, die kein Gold enthalten, Gold machen könne, so ist dies allerdings ein Aberglauben. Dies hat aber auch noch nie irgend ein wirklicher Alchemist behauptet, sondern dieser Aberglaube ist aus den verkehrten Anschauungen von Pfuschern und Schwindlern, welche von der Alchemie nichts verstanden, entsprungen. Die höhere Alchemie besteht nicht nach Art der gewöhnlichen Chemie in einer Trennung und Zusammensetzung von Substanzen, in welchen kein Leben in Thätigkeit ist, sondern sie handelt mit lebendigen Kräften. Der Chemiker, welcher zweierlei Formen der Materie zu einer neuen Form verbindet oder eine zusammengesetzte Substanz in ihre Bestandteile trennt, betreibt Chemie; der Gärtner, welcher die Bedingungen herstellt, unter denen sich eine Pflanze in seinem Treibhause schneller entwickelt, als es der Natur ohne solche Hilfe möglich wäre, ist ein Alchemist. Die Chemie befasst sich mit den Lebenserscheinungen, die Alchemie mit der Lebenskraft selbst. Die Chemie behandelt die Körper, welche der Ausdruck des Lebens in der Natur sind; die Alchemie benützt diese Lebenskraft, um solche Formen und Bilder durch die Natur hervorbringen zu lassen (1).  Die Chemie bewegt sich auf der physischen Ebene, die höhere Alchemie auf der nächsthöheren Stufe des Lebens (Prana); die höchste Alchemie bezieht sich auf die geistige Veredelung des Menschen und bedarf dazu einer geistigen Kraft. Wer diese geistige Kraft nicht kennt, der kann dieselbe auch nicht ausüben, und wer das allen Lebenserscheinungen zugrunde liegende Lebensprinzip nicht kennt, der wird auch nicht begreifen, was unter der Lebenschemie oder Alchemie zu verstehen ist. Es ist deshalb auch nicht unsere Absicht, der Welt Instruktionen zur Ausübung einer Kraft, welche sie nicht kennt, zu geben, sondern der Zweck dieses Artikels, dessen Material teilweise einer der besten Schriften (von H. P. Blavatsky) über diesen Gegenstand entnommen ist, soll sein, gewisse irrige Meinungen in Bezug auf diese höhere Wissenschaft zu widerlegen und eine höhere Anschauung zur Geltung zu bringen. Es handelt sich darum, zu zeigen, was Alchemie nicht ist, damit man erkennen kann, was sie ist.

Die Grundlage zum Verständnisse der Alchemie, wie schliesslich auch zu einem tieferen Verständnisse der Chemie, ist die Erkenntnis der in diesen Blättern oft genannten sieben Prinzipien, welche jeder Daseinsform vom Atome bis zum Weltensysteme zugrunde liegen, und das Feld der Entfaltung der Thätigkeit dieser Prinzipien sind die drei Daseinszustände in der Natur, nämlich das Reich der Materie, das Reich des Lebens und das Reich der Intelligenz, oder, wie es die Alten symbolisch bezeichneten: Salz, Sulfur und Merkur. Das unterste Reich umfasst die materiellen körperlichen Dinge mit den darin wirkenden mechanischen, physikalischen, chemischen Kräften; das nächste das Reich der Lebensthätigkeiten mit ihren Offenbarungen als Gefühl, Gehör, Gesicht, Geruch und Geschmack; die dritte Ebene ist das Reich der Intelligenz mit ihren Offenbarungen von Denken, Wollen und Erinnern. Und alle diese Ebenen sind nur in unserer Anschauung von einander getrennt, in Wirklichkeit bilden sie ein unzertrennbares Ganze, in welchem bald die eine, bald die andere Art von Bewegung in Thätigkeit ist.

Mit andern Worten, wir können die Welt als aus einer einzigen Ursubstanz bestehend betrachten, welche in verschiedenartigen Schwingungen sich befindet, und die Verschiedenartigkeit dieser Schwingungen ist die Grundlage aller Formenbildungen und Kraft äusserungen, sei es im Reich der sichtbaren Materie, auf einer höheren und für uns unsichtbaren Ebene oder im Reiche der Intelligenz; aber über allen diesen Erscheinungen steht die Ursache, der alle Dinge ihre Entstehung ursprünglich verdanken; die Weisheit selbst (das Selbstbewusstsein), die indirekte Ursache aller Erscheinungen, ohne welche es keine physische Ursache der Thätigkeit, kein lebendiges Wachstum von innen, kein Wollen und Denken und Erinnern gäbe. Diese Kraft der Weisheit ist kein Produkt der irdischen Natur, sondern gehört der unteilbaren Natur des Ewigen an. Wenn wir daher von den drei Reichen der Natur sprechen, so bezieht sich dies auf die drei Reiche, welche der irdischen Welt und dem irdischen Menschen angehören. Jedes Ding gehört je nach seiner Beschaffenheit einem von diesen drei Strichen an, hat aber das, was es zu einem Dasein in einem der beiden anderen Reiche befähigt, nicht offenbar (latent) in sich, und in allen ist der „göttliche Funke", welcher die Grundursache von ihrem Dasein ist.

Jedes Ding besteht somit aus sieben Arten von Schwingungen (sieben Prinzipien) und je nachdem in ihm eine höhere oder niedere Art von Schwingungen thätig ist, befindet es sich auf einer höheren oder niederen Ebene oder Oktave. Wir können dies am leichtesten durch ein Schema anschaulich machen, worin wir den Weg eines Akkordes durch die drei Oktaven oder Daseinsstufen verfolgen. Die Dicke der Buchstaben in folgender Skizze bezeichnet den Grad der Offenbarung der Thätigkeit eines Prinzips auf der betreffenden Ebene, so dass z. B. Kama auf der zweiten Ebene als sehr thätig, auf der ersten und dritten dagegen nahezu unthätig ist. Um weitschweifige Umschreibungen zu vermeiden, sind wir auch hier genötigt, die Sanskrit-Bezeichnungen beizubehalten.



Physische
Ebene
Das Reich des Lebens
Das Reich der
Intelligenz,
1
2
3
4
5
6
7

Atma
Buddhi
Manas
Kama
Prana
LINGA
Sthula

Atma
Buddhi
Manas
KAMA
Prana
Linga
Sthula

Atma
Buddhi
MANAS
Kama
Prana
Linga
Sthula



Obiges Schema soll natürlich nur eine beiläufige Idee dieser Anordnung vorstellen. Wäre z. B. in mineralischen Substanzen, Giften usw. Prana nicht enthalten, so könnten sie auch nicht auf die Lebensthätigkeit des tierischen Organismus einen Einfluss ausüben. Ebenso ist Manas in jedem Dinge, wenn auch nicht offenbar und aktiv, denn jedes Ding ist der Ausdruck einer ihm zugrunde liegenden Idee, und Ideen und Gedanken gehören Manas an. Desgleichen ist auch im höchsten Prinzip Sthula (Substanz) enthalten, denn was keine Substanz hat, hat auch keine Existenz. Es giebt keinen Gedanken ohne Substanz, keine Kraft ohne Materie, und keine Materie ohne Energie, wenn auch dieselbe nicht als Kraft offenbar ist.

Wie die moderne Chemie ihre Nomenklatur und symbolischen Zeichen hat, welche derjenige nicht versteht, der sie nicht kennt, so haben die Alchemisten ihre Symbole. Mit demselben Rechte, mit dem der Chemiker den Sauerstoff als O, Wasserstoff als H, Stickstoff als N usw. bezeichnet, benennen die Alchemisten die drei Reiche, welche alles Dasein umfassen, als die drei Substanzen, Salz, Schwefel und Merkur, dargestellt durch die Zeichen Salz, Sulfur und Merkur und die sieben Prinzipien als die sieben Planeten, nämlich:


Die oben angeführten Erklärungen der Planeten sind aber nur schwache Hindeutungen auf die Kräfte oder Substanzen, welche diese Planetenzeichen bedeuten, und wie in der Chemie der Ausdruck „Paladium", „Iridium", „Osmium" etc. keinen Sinn hat für denjenigen, der nicht weiss, was man darunter versteht, so hat auch die Bezeichnung Saturn, Jupiter, Mars usw. für diejenigen, welche, wenn auch anderweitig noch so gelehrt, in dieser Beziehung völlig unwissend sind. Um ein Lehrbuch über Alchemie zu schreiben, müsste man die einzelnen Himmelskräfte mit ihren Eigenschaften, die lebendigen und geistigen Kräfte im Menschen und in der Natur, mit andern Worten, die verschiedenen Bewusstseinsformen im Weltall beschreiben

Ebensowenig, oder vielmehr nicht mehr und nicht weniger, als sich diese Planetenzeichen auf die für uns sichtbaren Himmelskörper, den Mond usw. beziehen, ebensowenig beziehen sich die Bezeichnungen der vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde auf die Erscheinungsformen der Materie, welche im gewöhnlichen Leben mit diesen Namen bezeichnet werden; denn obgleich diese Erscheinungen, wie auch die sichtbaren kosmischen Körper mit den ihnen zugrunde liegenden Bewusstseinsformen, deren äusserer Ausdruck sie sind, in einer nahen Beziehung stehen, deren Beschreibung im engen Raume dieses Artikels nicht ausführbar ist, so hat doch die Alchemie als solche in erster Linie nichts mit den äusserlichen Formen, sondern mit den ihnen zugrunde liegenden lebendigen Kräften zu thun.

Zu diesen vier Elementen kommt noch ein fünftes, welches wir hier als den „Äther" bezeichnen wollen und welches eigentlich kein „Element", sondern die Grundlage aller Elemente, aus denen die Dinge bestehen, ist. Das Symbol dieses einen Elements ist die Sonne (Prana), auch symbolisiert durch „Gold", weil dies das edelste aller Metalle ist, und es könnte kaum eine bessere Bezeichnung gefunden werden, da ja die Sonne die Quelle aller Offenbarungen des Lebens auf Erden ist.

Dieses fünfte Element, welches zugleich das eine Element oder die Grundlage aller Elemente ist, wurde von den Alchemisten die Quintessenz aller Dinge genannt und entspricht im Indischen dem Worte Akäsa, welches nur annähernd der Bezeichnung „kosmischer Äther" entspricht, da es nicht wie dieser eine bloss physikalische Substanz, sondern eine lebendige Kraft, die Kraft des ewigen „Wortes", welches das Leben selber ist, darstellt.

Diese (geistigen) Elemente sind Offenbarungen von Prana und werden im
Sanskrit „Tatwas, d. h. Daseinsformen (von That, das Sein) genannt; sie stellen fünf Arten von Schwingungen der den Weltenraum füllenden AnimaMundi oder „Weltseele" (Prana) dar, aus welcher alles, was da existiert, besteht; denn die Körper, welche wir sehen, sind nichts anderes als die äusserlichen Symbole, denen die Seele eines Dinges ihren Charakter eingeprägt hat.

Im folgenden sind die Namen dieser Tatwas, ihre Farben und die Arten ihrer Schwingungen angegeben:


1. Akäsa (schwarz), der „Äther", „Urstoff" oder „Raum", in kreisrunder Bewegung O, es ist im metaphysischen Sinne dasjenige, was schliesslich durch das Gehör wahrgenommen werden kann. Halten wir fest an dem Gedanken, der in der Bibel ausgesprochen und aus der indischen Lehre geschöpft ist, dass alles aus dem Worte (Vach) entstanden ist, so können wir uns eine annähernde Vorstellung davon machen, dass alles in der Welt Ton und Harmonie (der Sphären) ist; wenn auch unsere Ohren diese Schallwellen des Äthers nicht wahrnehmen können.

Wie auf der physischen Ebene Ton,Wärme, Licht, chemische Affinität, Elektrizität, Magnetismus usw. Modifikationen der einen „Bewegung" (selbstverständlich der Bewegung von etwas) sind, so sind die folgenden Tatwas Modifikationen des einen Akäsa.

2. Vayou (blau), in spiralförmiger Bewegung, bezeichnet dasjenige, was den Menschen befähigt, das was er oder was ihn berührt, durch das Gefühl wahrzunehmen, und damit sind nicht bloss körperliche sichtbare Dinge gemeint, sondern alles, was körperlich oder in der Seele gefühlt wird. Nur Gleiches kann Gleiches wahrnehmen. Um körperliche Dinge zu befühlen, dazu gehört der physische Körper, um geistige Dinge wahrzunehmen, ein erwachter Geist; göttliche Kräfte können nur von dem, was im Menschen göttlicher Natur ist, gefühlt werden, wenn dasselbe im Menschen zum Bewusstsein (des Menschen) gekommen ist.

3. Taijas (rot), mit Schwingungen in der Form eines Dreiecks /\. Es ist dasjenige, was auf der physischen Ebene schliesslich als äusseres Licht durch das Gesicht wahrge nommen wird. Wie bei allen übrigen Tatwas giebt es auch hier ein äusseres, ein inneres (Astral) und ein geistiges Licht, das Licht der Intelligenz.

4. Apas (gelb), mit sichelförmigen Schwingungen
Dasjenige, was sich auf allen drei Ebenen als Geschmack offenbart.

5. Prithivi (weiss), dessen Schwingungen durch ein Quadrat symbolisch dargestellt sind. Es ist die Ursache derjenigen Kraft, welche den äusseren sowohl als den inneren Menschen befähigt, Dinge durch den Geruch wahrzunehmen.

Akäsa stellt das Tönende, Vayou das Schwingende, Taijas das Leuchtende und Wärmende, Apas das Fluidische, Durchdringende, Prithivi das Feste dar, und diese fünf Tatwas sind in allen Dingen enthalten, wenn auch in einem die eine und in einem andern die andere Eigenschaft vorherrschend ist.

NB. Allerdings giebt es noch zwei höhere Tatwas und zwei höhere Sinne; diese kommen jedoch bei vorliegendem Zwecke nicht in Betracht.

Diese Tatwas oder Daseinszustände offenbaren sich auf allen Daseinsstufen oder Ebenen, je nach den auf diesen Ebenen herrschenden Bedingungen; als physische Formen und Kräfte auf der Astralebene, als Formen von Kama, Leidenschaften und Begierden aller Art; auf der Ebene von Manas als Gedankenbilder, Ideen, Modifikationen von Willens- und Darstellungsformen, Tugenden und Laster, und da, wie oben geordnet, diese Daseinsebenen nicht von einander getrennt sind, sondern ein Ganzes bilden, so wirkt auch beständig das Höhere und Beweglichere auf das Niedere und weniger Bewegliche umwandelnd ein, wozu es aber der Zwischenglieder bedarf, so dass z. B. der Gedanke allein nicht die physische Materie verändern kann, ohne die dazwischen liegenden Prinzipien zu Hülfe zu nehmen.

Nach diesen wenigen Andeutungen, deren Erläuterungen nicht in den Rahmen dieses Artikels gehören und die dazu dienen sollen, um zu beweisen, dass die Alchemie etwas anderes ist , als das, was sich die Welt unter ihr vorstellt, kehren wir wieder zu den „drei Substanzen" und H. P. Blavatskys Bemerkun
gen darüber zurück:

„Der Mensch ist ein Ganzes, gebildet aus einem materiellen objektiven Körper, einer lebenden vernünftigen Seele (subjektive Kraft) und einem unsterblichen Geiste (dem Funken der Gottheit), und dasselbe ist in jedem Dinge der Fall, wenn auch nicht in jedem Dinge Intelligenz und Gewissen offenbar sind. Demgemäss hat auch jede Wissenschaft drei von einander verschiedene Standpunkte, und kann entweder von allen dreien, oder von einem derselben ausgehend auf allen drei Ebenen angewandt werden."

1. Der eine Standpunkt ist derjenige der Chemie auf der physischen Ebene. Wenn es einmal allgemein anerkannt ist, dass alle materiellen Dinge aus nichts anderem als aus Schwingungen Des „Äthers" bestehen, dann wird man auch Mittel finden, ein chemisches „Element" in ein anderes zu verwandeln, indem man die Richtung und die Schnelligkeit (die Quantität und Qualität) seiner Schwingungen verändert, was ebensogut möglich ist, als dass man Wärme in Licht, Elektrizität in Schall, chemische Affinität in Magnetismus umsetzt u. s. f.

2. Um von der Astralebene wirken zu können , muss man zuerst auf dieser Ebene zu leben begonnen, das betreffende Bewusstsein und die Wahrnehmung sowohl, als auch die Fähigkeit erlangt haben, die Organe des Astralkörpers zu benutzen. Ohne diese Entfaltung ist der Mensch in dieser Beziehung wie ein neugeborenes Kind auf der physischen Ebene, das auch Hände und Füsse hat, aber dieselben erst zu gebrauchen lernen muss. Ist diese Fähigkeit erlangt, so gehen die betreffenden Manipulationen viel leichter vor sich als die Verrichtungen des physischen Körpers; denn die Fähigkeit, auf die „Seele" der Körper zu wirken und ihre Form zu verwandeln, bringt viel schneller Änderungen in den physischen Körpern, welche die Ausdrücke dieser Seelenthätigkeiten sind, hervor, als wenn dieselben erst durch Einwirkungen von aussen auf die grobe Materie veranlasst werden müssen.

3. Um von der geistigen Ebene wirken zu können, muss der göttliche Funke im Menschen zum „geheimen Feuer", d. h. zur selbstbewussten schöpferischen Kraft (Kriyasakti) geworden sein. Der göttliche Funke ist ein Strahl des göttlichen Willens, dessen Kraft die Welt aus dem Chaos erschuf. Der Mensch, in welchem diese göttliche Kraft zur Entfaltung gelangte, ist göttlicher Natur, hat göttliche Eigenschaften, und wenn er diese Kräfte zu gebrauchen versteht, so ist die irdische Natur ihm unterthan. Wenn von unsern wissenschaftlichen Koryphäen keine diese Fähigkeit besitzt, so beweist dies weiter nichts, als dass dieselben noch nicht den Gipfelpunkt menschenmöglicher Vollkommenheit erklommen haben.

„Ehe man von Alchemie etwas wusste, vollzogen sich und vollziehen sich auch jetzt die Lebensvorgänge in der Natur durch die Kraft des formenschaffenden Willens in der Natur, vermittelst der Quintessenz (der Seele) der Dinge. Als auf der ErdeMenschen erschienen, welche im Besitze einer höheren Intelligenz waren, lernten sie diese geistige Kraft dadurch kennen, dass sie derselben gehorsam waren, d. h. sich von ihr beherrschen Hessen. Nachdem ihnen dieseGesetze bekannt geworden waren, ahmten sie dieselben nach, und so entstand die Alchemie. Um aber diese Kunst auszuüben, mussten die Menschen diese geistige schöpferische Kraft in sich zur Entfaltung kommen lassen. Diese Kraft wird Kriyasakti genannt."

Wenn wir, um uns eine annähernde Vorstellung zu machen und in Ermangelung eines besser passenden Wortes, die Quintessenz aller Dinge mit Jakob Boehme und Schopenhauer als den „Willen" bezeichnen (2), so sehen wir, dass die ganze Welt aus Willen besteht. Ein Mensch ist Willenssubstanz in menschlicher Form , ein Ochse ist derselbe Universalwille als Ochse organisiert; ein Diamant ist dieser Wille in der Gestalt von Kohlenstoff in kristallisierter Form einen Diamanten vorstellend usw. Dasjenige, was Schopenhauer die „Vorstellung" und Jakob Boehme als die „Weisheit", Theophrastus Paracelsus als die „Imagination" der Natur bezeichnet, ist die dieser Willenssubstanz innewohnende Kraft, Formen nach gewissen Typen und Gesetzen zu bilden. Sie wirkt in der Natur als nicht selbstbewusste Kraft, im Reiche des Geistes dagegen ist sie selbstbewusst wirkend und schaffend. Deshalb gehört diese Kraft auch nur dem geistig wiedergeborenen göttlichen Menschen an, und es ist daher leicht erklärlich, dass für den nicht wiedergeborenen Menschen diese Kraft Kriyasakti (welche Wir „selbstbewusste Vorstellung" nennen könnten) nicht existiert und er sie weder begreifen noch ausüben kann (3).

Aus dieser Kraft wurde die Kunst der Alchemie, Magie usw. geboren (4).

Als aber im Laufe der Zeiten die menschliche Selbstsucht und der Eigendünkel der Menschen so zunahmen, dass sie das eigene „Selbst" über alles schätzten und die Wahrheit nicht mehr erkennen konnten, da verschwand auch ihre geistige (magische) Kraft und sie vergassen die Weisheit ihrer Vorfahren. Ihre Nachkommen fingen an, die Lehren der Weisheit in demjenigen Grade zu verwerfen, in welchem sie unfähig wurden, dieselben zu begreifen; sie verachten die Lehre der Existenz des Geistes und der Seele und erkennen in der Natur nichts mehr als deren äussere Anschauungsform, die Welt der Erscheinungen. Sie sprechen von „Materie", ohne auch den entferntesten Begriff davon zu haben, was „Materie" ist.

Da sie selbst nicht mehr in der Wahrheit und die Wahrheit nicht mehr in ihnen offenbar ist, so können sie auch die Wahrheit nicht mehr erkennen. Da sie ihre persönliche Erscheinung für ihr wirkliches Wesen halten, so sind sie auch zum blossen Schein geworden und existieren nicht im wirklichen Sein.

„Erst wenn der Geist (die wahre Erkenntnis) die Materie (Prakriti) überwältigt haben wird, kann der Mensch die volle Herrschaft über die Natur erlangen und ihre Gesetze nach dem Gesetze der Weisheit, die er dann selber besitzt, sich vollständig unterwerfen. Purush (der Geist) und Prakriti (die Natur) müssen sich vereinigen. Beide müssen durch das mystische Viereck und das Kreuz (5).  Dies ist die „Jungfernerde", derheilige Geist der alten Alchemisten und Rosenkreuzer, von welchem die modernen Kabalisten nichts wissen. Wer die Natur nicht in ihrem Innern erkennt, dem bietet sie auch nichts als ihre äussere Rinde. Worte und Begriffe wechseln, das Alte wird verloren und kommt unter neuen Namen wieder zum Vorschein. Die Nekromantie der Alten spiegelt sich wieder im modernen „Spiritismus"; im modernen „Hypnotismus" haben wir wieder den Anfang der schwarzen Magie."

Obiges bezieht sich auf die höhere Alchemie, deren Endzweck die Veredelung des Menschen und durch diese die Veredelung der ganzen Natur ist. Hier handelt es sich darum, durch das geheime Feuer der göttlichen Liebe das Wankelmütige „Quecksilber" der hin- und herwogenden Neigungen und wechselbaren Meinungen in das reine „Gold" der göttlichen Selbsterkenntnis zu verwandeln; die in unserer irdischen Natur enthaltenen unreinen Elemente auszuscheiden und die Bedingungen herzustellen, unter denen sich die Wahrheit offenbaren und das Ideale in uns zur Wirklichkeit werden kann. Die hierzu angewandten alchemistischen Prozesse sind die Mortifikation, d. h. die Ertötung durch Überwindung der verkehrten Begierden; die Sublimation durch Erhebung der Seele zum Reiche der ewigen Wahrheit; die Solution oder Auflösung von dem, was den Menschen an die Erde bindet und ihn hindert, seine wahre Natur zu erkennen; die Animation, d. h. die Belebung der Seele durch die Kraft des auf sie einwirkenden Lichtes der göttlichen Gnade; die Purifikation oder Reinigung von allem, was nicht heilig und unsterblich ist; die Fixation oder das Festhalten im Gehorsam, wodurch im menschlichen Willen der göttliche Wille befestigt wird; die Transmutation oder Verwandlung, durch welche der Mensch aus einem tierähnlichen Geschöpfe als ein höheres Wesen aufersteht und in ein unsterbliches Dasein tritt usw.

Alles dies geschieht nur dadurch, indem sich Merkur (die Intelligenz)


Wer aber diese Art von Alchemie kennen lernen will, der muss dieselbe auch in seinem ganzen Leben praktisch durchführen und anwenden; denn ein blosses theoretisches Wissen bleibt so lange unfruchtbar, bis es durch die That zur Wirklichkeit wird. Blosse religiöse Betrachtung, so unterhaltend sie auch sein mag und soviel sie zum Zeitvertreib betrieben wird, ist blosser „Mondschein" und Schwärmerei (6).

Die Metalle sind die Leidenschaften, welche uns von der Natur zu dem Zwecke verliehen worden sind, aus ihnen das Gold der Tugend und Weisheit zu machen. Sie sind das Kapital, welches der Mensch besitzt, um während der Zeit seines Erdenlebens den Zins zu ziehen, welcher in der durch Überwindung und Selbstbeherrschung gewonnenen Kraft besteht. Sie sind die Stufen, auf denen der Mensch aus dem Reiche der Nacht zum Lichte emporsteigt, und die Tiere, durch deren Besiegung er den Preis des Bewusstseins seiner Unsterblichkeit erlangt. Blosses Wissen vergeht, aber das ewige Sein besteht. Durch blosse Betrachtung des Weges gelangt man nicht ans Ziel. Das Beschauen nutzt nichts ohne die That.

Was aber den irdischen Teil der „Alchemie", d. h. die höhere Chemie betrifft, so ist es durchaus kein Wahnsinn, zu glauben, dass es gelingen wird, ein Metall in ein anderes Metall zu verwandeln, oder in einem Körper eine andere Art von Lebensthätigkeit zur Entfaltung zu bringen, wodurch seine Natur verändert wird. Weshalb sollte man Metalle nicht ebensogut als Kristalle wachsen machen können, wenn man die Gesetze kennt, auf denen das Wachstum der Metalle beruht?

Wenn alles, was existiert, aus einer Urmaterie, die in sich selbst eine Einheit ist, entstand, so würde es sich dabei bloss darum handeln, die zu behandelnden Dinge in ihre Urmaterie zurückzuführen und die Bedingungen herzu stellen, aus denen sich aus dieser neue Formen entwickeln können. Deshalb lesen wir auch in den Aphorismen der Alchemisten:

-      „Ein Metall kann nicht in ein anderes Metall verwandelt werden, ohne in seine prima materia zurückgeführt worden zu sein."


Dies geschieht im Geistigen durch eine Änderung des Willens. Indem der Wille aufhört, dieses oder jenes zu wollen, oder mit andern Worten, indem seine Bewegung nach einer gewissen Richtung zu nichts wird, kann ein neues Wollen entstehen und der Wille eine andere Richtung nehmen. Im Materiellen herrschen analoge Gesetze. Wenn alles aus Ätherschwingungen besteht, so handelt es sich nur darum, diese Schwingungen zur Ruhe zu bringen, um sie in andere Schwingungen zu verwandeln. Teilweise geschieht dies schon jetzt, und der Zauberkunst der höheren Chemie ist es vorbehalten, weitere Entdeckungen zu machen.

Der Schlüssel zum Eindringen der Chemie in das Gebiet der Alchemie liegt daher in einem Verständnisse der Eigenschaften des „Äthers" und dessen Schwingungen, oder besser gesagt: des Akäsa und seinen Modifikationen, und wir haben Grund, anzunehmen, dass wir in dieser Beziehung am Vorabende grosser Entdeckungen stehen.

Bereits hat sich hier ein grosser Fortschritt bemerkbar gemacht, indem man nicht mehr von „Licht", „Wärme", „Elektricität" usw. spricht, sondern von „Lichterscheinungen" „Wärmeerscheinungen", „Elektricitätserscheinungen" u. s. f. Das Licht selbst hat noch kein irdisches Auge gesehen, die Wärme selbst noch kein irdischer Körper empfunden. Jeder Kraftäusserung liegt eine (geistige) Kraft zugrunde, die erst dann für uns offenbar wird, wenn sie in die Erscheinung tritt.

Zwischen diesem Reiche der physikalischen Alchemie, welche dem physischen Menschen zugehört, und dem Reiche der geistigen Alchemie, welche das Eigentum des geistigen wiedergeborenen Menschen ist, befindet sich aber ein grosses und heutzutage gänzlich ignoriertes Feld, nämlich die Sogenannte Astralebene, zu welcher die mit dieser verwandten Wesen, und folglich auch der Astralorganismus des Menschen, gehören, und dieses ist das Feld einer andern Alchemie.

Würde ein im Wasser schwimmender Mensch das Dasein des Wassers leugnen, so würden wir seine Kurzsichtigkeit bedauerlich, wenn nicht geradezu lächerlich finden. Dennoch befinden sich die meisten Menschen in einer ähnlichen Situation, indem sie von einer Welt mit unzählbaren lebenden Wesen umgeben sind, von deren Dasein sie nichts wissen, weil ihre physischen Organe nur für physische Wahrnehmungen eingerichtet und ihr innerer Organismus noch nicht zum Selbstbewusstsein gekommen ist. Nicht nur befinden sich in diesem Reiche die demselben eigentümlichen lebenden Wesen, sondern auch jedes Ding, das in der sichtbaren Welt existiert, hat sein ihm korrespondierendes Wesen in der unsichtbaren Welt; jede sichtbare Form ist in der That nur ein Symbol, in welchem die Eigenschaften seines unsichtbaren Wesens auf der physischen Ebene verkörpert sind. Wie der Kohlenstoff nicht aus Diamanten zusammengesetzt ist, sondern vielmehr der Diamant ein Repräsentant des allgemein in der Natur verbreiteten Kohlenstoffes ist; wie die Menschheit nicht aus menschlichen Körpern zusammengesetzt ist, sondern vielmehr der einzelne Mensch ein Repräsentant der physischen, geistigen und seelischen Eigenschaften ist, die der Menschheit im ganzen angehören, welche sowohl die verkörperten Menschenformen, als auch die in anderen Daseinssphären befindlichen Menschengeister umfasst, so hat auch jedes im Lichte der Natur sichtbare Ding sein mit ihm korrespondierendes Höheres im Astrallichte und auf der geistigen Ebene. Jedes ist der Ausdruck eines Gedankens, der existieren würde, wenn auch die Form, welche ihn darstellt, aufhören würde, in der sinnlichen Welt offenbar zu sein; jedes, auch das unscheinbar lebloseste Ding ist der Ausdruck eines Lebens, dessen Thätigkeit der dieselbe repräsentierenden Form ihren Charakter verliehen hat, und dieses Leben ist unabhängig von dem Dasein der Form. Jedes Ding ist die Verkörperung einer Idee und sein Dasein hängt von der Existenz der Idee, nicht aber die Idee vom Dasein ihrer Verkörperung ab. Formen sind beschränkt, Prinzipien allgemein. Das Sonnenlicht ist nur eines und allgemein, findet sich aber in der Natur in unzähligen Formen verkörpert. Es verleiht der Rose ihr Rot, der Lilie ihr Weiss, es würde aber nicht aufhören zu sein, wenn es weder Rosen noch Lilien gäbe. Das Selbstbewusstsein in der Seele der Welt ist allgemein und nur ein einziges, weshalb es auch in den Menschen in allem wesentlich, wenn auch nicht dem Grade nach dasselbe ist, und es würde nicht aufhören zu sein, wenn auch kein Körper da wäre, in welchem es sich offenbaren könnte.

Es giebt nur eine Wärme, einen Willen, eine Kraft, ein Leben, das sich in den verschiedenen Formen auf verschiedene Weise offenbart. Wäre die Kraft das Erzeugnis der Form, so müssten ein und dieselbe Kraft in verschiedenen Formen ihrem Wesen nach von sich selber verschieden sein. Ein Leben, das gebunden ist, hört deshalb nicht auf, zu sein; eine Kunst, die nicht ausgeübt
wird, ist deshalb nicht vernichtet; würde die Offenbarung der Weisheit aufhören und dadurch alle Menschen verdummen, so würde dies doch der Weisheit selbst kein Ende machen, welche selbstexistierend und ewig ist.

Die Liebe, der Hass, der Neid, Geiz, Selbstsucht, Zorn, Barmherzigkeit, Grossmut, Bescheidenheit, Geduld, Beständigkeit, Wille, Verstand usw., alle Laster und Tugenden, Leidenschaften und Begierden sind Einheiten, allgemeine Prinzipien, die in der Konstitution des Menschen sich äussern und offenbaren, indem sie darin zum Bewusstsein kommen; sie sind nicht die Erzeugnisse des menschlichen Körpers, sondern derselbe wird von ihnen in Besitz genommen und auch wohl beherrscht. Nur in der Art ihrer Äusserung, nicht aber ihrem Wesen nach sind sie in verschiedenen Menschen von einander verschieden. Wohl können körperliche Umstände ihre Offenbarungen begünstigen, aber nicht sie erschaffen. Wäre z. B. der Neid ein Produkt des Körpers, so wäre er in zwei verschieden geformten Wesen nicht nur in Bezug auf die Art seiner Äusserung, sondern seinem Wesen nach in beiden verschieden, während er doch in Mann und Weib, in Gesunden und Kranken, in Menschen und Tieren ein und derselbe ist. Man mag sagen:

„Wo man nicht liebt, da giebt es auch keine Liebe"; man müsste aber hifizufügen „für uns", denn alles Dasein ist relativ und ein Ding, für das ich nicht vorhanden bin, ist auch für mich nicht vorhanden; ein Ding, dessen Daseins ich mir nicht bewusst bin, existiert nicht in meinem Bewusstsein. Absolutes Dasein ist unbegreiflich; relatives Dasein ist die Offenbarung desselben und hierzu gehören Objekt und Subjekt, oder in andern Worten: die Erkenntnis, der Erkenner und das zu Erkennende. Die Liebe ist ewig und man könnte nicht lieben, wenn es keine Liebe gäbe. Sie ist ebenso unabhängig von ihrer Äusserung, als die Sonne unabhängig ist von dem, was sie bescheint. Man braucht sie nicht zu erschaffen oder zu verfertigen, sondern nur sich für sie empfänglich zu machen und sie in sich aufzunehmen. So ist es mit jeder
anderen Energie, die das Gemüt in Bewegung setzt, sobald sie darin sich zur Kraft entfaltet.

Was aber können diese verschiedenartigen Krafterscheinungen, die sich als Tugenden oder Laster äussern, anderes sein als Formen der Universalkraft (Wille), welche der Seele der ganzen Natur angehört. Wie in der physischen Ebene alle Dinge aus „Materie“ bestehen, sei sie nun in der Form eines Steines oder als Luft, so haben auf der nächsthöheren Ebene alle Dinge nur eine Seelensubstanz, die ihrem Wesen nach in allen dieselbe ist. Wie die physische Ebene, so hat auch die Astralebene ihr Mineral-, Pflanzen- und Tierreich, ihre vernünftigen und unvernünftigen Bewohner, ihre lebendigen Kräfte (7).

Jedes Ding hat seine ihm angewiesene Sphäre der Thätigkeit, je nach der Daseinsstufe, auf der es sich befindet. Ein Geist kann nichts wirken ohne einen Körper, ein Körper ohne Geist kann den Geist nicht erfassen. Mit der Wärme der Liebe kann man keine Suppe kochen und durch physische Wärme keine geistige Liebe erschaffen, wohl aber dienen physische Körper und Kräfte dazu, dass geistige Kräfte durch sie zur Offenbarung und Entfaltung ihrer Thätigkeit kommen können. Um in der physischen Ebene zu wirken, dazu gehört der physische Körper des Menschen; um auf der Astral ebene thätig zu sein, dazu gehört ein entwickelter organisierter menschlicher Astralkörper, der vermittelst der physischen Organe oder auch ohne dieselben thätig sein kann.

Im Menschen sind die drei Reiche aufs innigste untereinander zu Einem verbunden. In ihm wirken alle drei Reiche aufeinander, und je nachdem er sich einer höheren Daseinstufe bewusst ist, kann er auch auf derselben eine selbstbewusste und intelligente Thätigkeit entfalten, während ohne dieses Bewusstsein alle angebliche Benutzung von Kräften, die über der Natur des betreffenden Menschen stehen und deshalb für ihn übernatürlich sind, nichts anderes sein kann, als Unsinn, Irrtum, Anmassung oder Betrug. Eine Ausübung der höheren Alchemie ist nur dann möglich, wenn der Mensch seine eigene höhere Natur und deren Fähigkeiten selber erkennt.

Deshalb ist auch die wirkliche Alchemie noch nie von jemandem ausgeübt worden, der keine eigene höhere Selbsterkenntnis besass, und das Heer von Pfuschern und Schwindlern, welche im Mittelalter den Namen „Alchemie" in Misskredit brachten, wenn auch vielleicht hie und da dieser oder jener einen
Kunstgriff erlernt haben mag, waren ebensowenig wirkliche Alchemisten, als heutzutage ein Mensch ein wirklicher Arzt sein kann, ohne die dazu nötige Intelligenz zu besitzen. Desgleichen hat das Studium alchemistischer Schriften keinen Wert, solange man nicht diejenigen Substanzen und Kräfte kennt, welche darin unter symbolischen Bezeichnungen angeführt sind. Um dieselben aber zu kennen und anzuwenden, muss man sie selber besitzen, und da es sich hier meistens um geistige Dinge handelt, wird diese Kenntnis auch nur durch geistige Selbsterkenntnis erlangt. Deshalb sagten die Alten:

„Wer die Wahrheit erkennt, findet alles. Wer die Geheimnisse des (eigenen) Mikrokosmus erkennt, dem sind auch die Geheimnisse des Makrokosmus nicht verborgen. Wer dasjenige, was er sucht, nicht in sich selber findet, der wird es auch im Äussern nicht finden. Das ganze Arcanum besteht in der Befolgung des noch immer zu wenig begriffenen Wortes: Erkenne dich selbst!"






Hinweise

(1) „So ist die lebendige Natur ein Alchemist, aus dessen Laboratorium Veilchen und Rosen, Lilien und dann die Herbstblumen hervorgehen, und so wirkt auch der Himmel im Menschen. Wenn nicht täglich neu wachsende Blüten in ihm aufgehen, so ist er nicht zum Leben, sondern zum Tode bereit." (Vergl. TheophrastusParacelsus. Vol. IV, pag. 233.)

„Desgleichen ist auch der Organismus des Menschen ein Alchemist, denn in ihm wird Milch und Brot in Blut, Fleisch und Knochen verwandelt, was nur durch Hilfe der Lebenskraft, nicht aber ohne dieselbe möglich ist." (Paragranum III.)

Die moderne Wissenschaft bezeichnet diese Art von Alchemie als „physiologische Chemie" und giebt dabei zu verstehen, dass die Lebensthätigkeit das Resultat der Funktionen der Körperorgane sei. Die okkulte Wissenschaft dagegen erkennt die Organe des Körpers sowohl als auch deren Funktionen als die Produkte der in ihnen sich offenbarenden Lebenskraft an. So hält im allgemeinen die äussere und oberflächliche Anschauung dasjenige für die Ursache, was eine tiefere Erkenntnis als Wirkung erkennt.

(2) Das Wort „Geist" wäre passender, da es Wille und Vorstellung zu Einem verbunden bedeutet.

(3) Es giebt im Sanskrit verschiedene Bezeichnungen für solche geistige Kräfte, welche man heute in Europa weder dem Namen noch dem Wesen nach kennt, wenn sie auch Theophrastus Paracelsus, Boehme und andere Philosophen des Mittelalters, deren Schriften heutzutage wenig gelesen und noch weniger verstanden werden, bekannt sind; z. B. die sechs Siddhis:

  1. Parasakti. „Die höchste Kraft" (geistige Wärme und Licht).
  2. Inasaki. Die Kraft der (geistigen) Intelligenz, (a. Verständnis. – b. Selbstbewusste Erinnerung. – c. Vorauswissen durch Erkenntnis von Ursache und Wirkung. – d. Geistiges Selbstbewusstsein mit der daraus entspringenden geistigen Wahrnehmungsfähigkeit.)
  3. Itchasakti. Die Kraft des selbstbewussten geistigen (magischen) Willens.
  4. Kriyasakti. Wie oben beschrieben, die Kraft des selbstbewussten Gedankens.
  5. Kundalinisakti. Die geistige Kraft des Lebensprinzips in der Natur, welche der Alchemist überwinden und durch Selbstbeherrschung sich unterwerfen muss.
  6. Mantrikasakti. Die geistige Kraft des Tones, Schalles oder der Sprache. Worte ohne Geist haben keine geistige Kraft. Die geistige Kraft der Sprache entsteht durch völlige Übereinstimmung von Gedanke, Wille und Wort.

(4) Was man heutzutage „Hypnotismus" und „Suggestion" nennt, ist nur der Anfang dazu.

(5) Das Viereck ist seit urdenklichen Zeiten das Symbol der Wahrheit; das Kreuz das Zeichen des Sieges des aufwärts strebenden Geistes über das Materielle.

(6) „Was soll man von viel Rezepten sagen und von mancherlei Gefässen, Öfen, Gläsern, Scherben, Wassern, Ölen, Salzen, Schwefeln usw. Alle solche Dinge machen vergebene Mühe und Arbeit in der Alchemie, und obschon durch dieselben Sol und Luna gemacht wurden, so sind sie doch mehr ein Hindernis als eine Förderung. Darum ist in Wahrheit nichts davon zu lernen, sondern man muss das alles fahren und stehen lassen, da es nicht der fünf Metalle bedarf, um Gold und Silber hervorzubringen." (Theophrastus Paracelsus. „Coelum Philosophorum", pag. 588.)

Dies gilt sowohl in Bezug auf die nutzlosen Versuche, aus leblosen Stoffen ohne die Zuhilfenahme der Lebenskraft etwas Lebendiges zu schaffen, als auch in Bezug auf die zeitraubende Beschäftigung, sich durch das theoretische Studium verschiedener Moralsysteme, ohne eines derselben praktisch auszuüben, zum „Adepten" zu machen. Die Wahrheit ist einfach und bedarf keiner Theorie. Um sie zu erkennen, ist nichts anderes nötig, als die Erkenntnis allein. Wäre das Gold eine Zusammensetzung von Metallen, dann wäre ein Trennen und Zusammensetzen von Substanzen am Platz; wäre die Wahrheit das Resultat von mühselig erworbenen Meinungen, dann könnte man sie durch Zusammentragen von Theorien fabrizieren; so aber dienen chemische Prozesse höchstens dazu, das Gold von Unreinigkeiten zu befreien, und philosophische Argumente haben keinen andern Zweck als dasjenige zu beseitigen, was der Erkenntnis der Wahrheit hinderlich ist.

(7) Ein Grund für verkehrte Anschauungen liegt darin, dass man „Stoff“ und „Kraft“ für zwei von einander verschiedene Dinge hält, während sie doch nur zwei in unserer Vorstellung getrennte Begriffe eines und desselben Dinges darstellen. Kraft ist Substanz in Bewegung, Stoff ist gebundene (verkörperte) Energie. Wo eine organische Kraft in Thätigkeit ist, da muss auch ein Organismus vorhanden sein, selbst wenn er für uns nicht sinnlich wahrnehmbar ist. Eine organische Kraft ist eine organisierte Kraft und dies erklärt sich dadurch, dass sie selbst substantieller Natur und deshalb fühlbar ist. Wie es in der Natur nichts absolut Totes, sondern höchstens „gebundenes“ Leben giebt, so giebt es auch nichts wirklich Unorganisches. Vom Sonnenstrahl, dessen Konstitution aus sieben Farbenschwingungen besteht, bis zum Atom, das ein Centrum von sich spiralförmig bewegenden Kräften ist, ist alles organisiert.



(Lotusblüten, 1893, Band 1, S .411-447)




13.2.19

KRITIK ZUR BIODYNAMISCHEN LANDWIRTSCHAFT VON RUDOLF STEINER




Die Sache, bei der einige Leute Rudolf Steiner mehr loben, ist in seiner "biodynamischen Landwirtschaft", aber es gibt auch Experten, die nicht einverstanden sind, und einer von ihnen ist Stuart Smith.



Stuart Smith ist ein Winzer mit mehr als vierzig Jahren Erfahrung. Er erhielt seinen Master of Weinbau und Önologie an der University of California Davis und seine Arbeiten umfassten: Grundchemie, organische, anorganische, Biochemie, Bakteriologie, Biologie, Vermehrung von Pflanzen sowie spezialisierte und exklusive Kurse, die von der Abteilung für Weinbau und Önologie an der UC Davis.

Er ist akademisch sehr gut vorbereitet, hat aber auch viel Erfahrung in der Praxis, da im anfang 1971 er konnte 200 Hektar Land erwerben und gründete das Weingut Smith-Madrone Vineyards & Winery.

~ * ~

Nun, Stuart Smith eröffnete einen Blog, in dem er ausführlich die Gründe beschreibt, warum er mit den von Rudolf Steiner gelehrten Techniken sehr skeptisch ist. Er sagte:


« Der österreichische Philosoph Rudolf Steiner hielt im Juni 1924 einer Reihe seiner Anhänger im polnischen Koberwitz eine Reihe von Vorträgen und Diskussionen über die Landwirtschaft.

Diese Vorträge wurden zur Grundlage für Biodynamik, die in den letzten Jahren von einer ständig wachsenden Gruppe von Weingütern auf der ganzen Welt angenommen wurde.

Nach der Lektüre von Steiner schlussfolgere ich jedoch, dass Rudolf Steiner ein durchgeknallter Mann war, mit großer Vorstellungskraft, und seine Bücher, Schriften und Vorträge sollten unter Science Fiction katalogisiert werden.

Ich bin nicht gegen die ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Landwirtschaft, die ich voll und ganz unterstütze. Stattdessen ist das, wovon ich bin, so wahnsinnig, wie Rudolf Steiner mit ihnen umgeht. Was ich dagegen bin, ist die delirante Art, wie Rudolf Steiner damit umgeht.

Und ich mag seine Heuchelei nicht, weil Rudolf Steiner in seinem ersten Vortrag am 7. Juni 1924 mit den Worten begann:

-      „Es sollte jedem klar sein, dass die Menschen kein Recht haben, über Landwirtschaft zu sprechen, es sei denn, sie verfügen über solide Kenntnisse in der Landwirtschaft und wissen wirklich, was es bedeutet, Getreide, Kartoffeln oder Rüben anzubauen."

Es stellt sich jedoch heraus, dass Rudolf Steiner nie Landwirt war, und es zeigt sich, dass er auch in der Landwirtschaft kein tiefes Wissen hatte!

Und deshalb habe ich beschlossen, den Blog mit dem Titel zu öffnen:


Weil jemand etwas sagen muss. »



Und in seinem Blog können Sie die folgenden 33 Artikel lesen:

 1.   Wie es begann

 2.   Einführung


 4.   UC Davis


































MEINE MEINUNG

Ein Punkt, den ich gegen die Analyse von Stuart Smith sehe, ist, dass er kein esoterisches Wissen hat, seine Analyse nur aus wissenschaftlicher Sicht durchgeführt wird und daher die verborgenen Aspekte der Schöpfung nicht kennt.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass er ein Önologischer Experte ist, der sowohl in akademischer als auch in beruflicher Hinsicht viel weiß und deshalb auf das, was er sagt, achten muss.